
Lennart Gorholt
Senior Director Nachhaltigkeit bei Phoenix Contact
Phoenix Contact hat seinen Hauptsitz in Blomberg, Deutschland, und stellt Produkte und Komponenten für die Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung her.

Lucas Dann
Geschäftsführer und Mitgründer der Nexpirit GmbH
Siemens Expert Partner zur Implementierung des Teamcenter PLM. Nexpirit ist auf die Beratung und Umsetzung eines effizienten Werkstoffdatenmanagements, der erfolgreichen Material Compliance und der frühzeitigen Einbindung der Nachhaltigkeitsanforderungen spezialisiert.
Wie kamen Phoenix Contact und Nexpirit zusammen?
Lucas Dann: Alles begann während der Corona Pandemie, als Phoenix Contact auf uns zukam, um eine Nachhaltigkeitslösung für ihre Produkte zu schaffen. Phoenix Contact wollte überall dort, wo ihre Produkte oder Komponenten eingesetzt werden, zur Klimaneutralität beitragen. Das heißt, wir mussten einen Weg finden, um den ökologischen Fußabdruck von ca. 10.000 Materialien und 100.000 Produkten zu erfassen. Das geht natürlich nur systematisch.
Und was war die Zielsetzung für Phoenix Contact?
Lennart Gorholt: Als Verantwortlicher für Nachhaltigkeit bei Phoenix Conact beschäftige ich mich mit den Fragen, wie wir Nachhaltigkeit für uns interpretieren und umsetzen können. Unser Ziel ist es letztlich, einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt zu leisten – und das haben wir für alle unsere 60 weltweiten Niederlassungen gesetzt.
Was waren die Herausforderungen in eurem Projekt?
Lennart Gorholt: In der Vergangenheit haben wir Lieferzeiten und Kosten betrachtet. Jetzt kommt eine neue Dimension hinzu, nämlich dass wir zusätzlich über die Umweltauswirkungen unserer Produkte sprechen müssen. Unsere Kunden wollen zum Beispiel den CO2 Fußabdruck von einem bestimmten Produkt aus unserem Portfolio wissen, bevor sie es einsetzen, um beispielsweise den gesamten CO2 Verbrauch eines Gebäudes kalkulieren zu können. Nun haben wir einerseits sehr viele Einzelprodukte in unserem Porfolio, für die wir nicht alle einzelne Bewertungen machen können. Zum anderen kommt erschwerend hinzu, dass sich die Daten laufend ändern würden, beispielsweise wenn ein Lieferant die Zusammensetzung ändert.
Wie seid ihr an die Lösungsfindung herangegangen?
„Je früher Sie also damit beginnen, desto mehr Freiheit haben Sie, eine gute Wahl zu treffen.“
Lennart Gorholt: Zunächst geht’s es darum, wie die Daten gespeichert werden und transparent für alle im Unternehmen zur Verfügung stehen, damit kluge Entscheidungen getroffen werden können. Der zweite Aspekt ist, dass diese Entscheidungen so früh im Produktlebenszyklus wie möglich getroffen werden muss, um den Aufwand und die Kosten niedrig zu halten. Und der dritte Aspekt ist, dass wir versucht haben, jede Art von manueller Eingabe für die Berechnungen zu vermeiden.
Lucas Dann: Für uns lag die Lösung darin, dass alle notwendigen Daten im Teamcenter PLM bereit gestellt werden. Teamcenter und NX sind sehr flexibel und modular, sodass wir unsere Lösungsansätze ideal integrieren können. Wir haben also Teamcenter und NX in die Lage versetzt, eine CO2-Analyse früh im Produktentwicklungsprozess bereits auf der Grundlage eines von ihnen zugewiesenen generischen Materials zu starten. Wenn man zum Beispiel einen bestimmten Stahl auswählt, wissen wir, wie hoch der übliche CO2-Wert für diesen Stahl ist, und die Mitarbeiter können von dort aus bereits mit der Verbesserung und Optimierung beginnen. Wir können aktuell 18 Nachhaltigkeitsfaktoren kalkulieren, nicht nur CO2, sondern auch Wasser oder Energieverbrauch.
Und wie funktioniert euer System jetzt?
Lennart Gorholt: Wir lassen im System Automatisierungen laufen, die automatisch die Berechnungen durchführen für Produkte, die sich noch in einem frühen Stadium befinden, aber auch für gut entwickelte Produkte, die auf dem Markt sind, komplett fertiggestellt und im Umlauf sind. Und sogar für Produkte, die nicht mehr im Umlauf sind, um ihre Berechnungen zu aktualisieren, was mit ihnen geschehen ist.
Was sind die größten Vorteile für Phoenix Contact?
„Die größten Vorteile liegen in der Skalierung und Automatisierung.“
Lennart Gorholt: Die größten Vorteile liegen in der Skalierung und Automatisierung. Bei früheren Berechnungen haben wir Monate gebraucht, um den ersten Fußabdruck zu erhalten.
Heute sind wir an dem Punkt, an dem ich die Berechnung auf Knopfdruck erhalte. Wir müssen jetzt nicht mehr um die Berechnung kümmern, sondern wir haben die Zeit und die Möglichkeit, uns auf unser Ziel zu konzentrieren: Wo können wir die Veränderung bewirken, um wirklich einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu schaffen?
„Je intelligenter der digitale Zwilling also wird, desto besser ist natürlich auch unsere Umweltanalyse.“
Lucas Dann: Ein großer Vorteil ist außerdem, dass das Produktmodell immer intelligenter wird. Auf der NX-Seite haben wir also nicht nur die Konstruktionsgeometrie, sondern auch Informationen darüber, wie das Produkt hergestellt werden soll. Wir führen Daten aus weiteren Systemen zusammen, z.B. aus der CAM, der computergestützten Fertigung, und können noch präzisere CO2 Berechnungen durchführen.
Das gilt auch für die SCOPE-3-Daten, also die Emissionen, die durch die Lieferkette,
Transport oder Entsorgung entstehen. Diese können wir durch unsere Informationen aus der Lieferkette ebenfalls integrieren. Das ist der Punkt, an dem die Digitalisierung und die Möglichkeit, alles an einem Ort zu haben, einen großen, großen Unterschied macht.
Wie wird sich die nachhaltige Produktentwicklung in Zukunft entwickeln?
„Im Digitalen Produktpass werden Nachhaltigkeits- und Umweltinformationen sowie Materialdaten eine zentrale Rolle spielen.“
Lucas Dann: In Zukunft wird es einen Zeitpunkt geben, an dem alle Unternehmen nicht nur Preisinformationen und technische Informationen für das Produkt bereitstellen müssen, sondern auch seine Umweltauswirkungen. In Europa wird das der Digitale Produktpass sein, der in den nächsten Jahren verpflichtend wird.
Ein weiterer Aspekt ist die Einbeziehung von KI, künstlicher Intelligenz, um weitere Datenpunkte automatisiert zu integrieren. Zum Beispiel könnte die KI helfen, um Lieferantendaten auf der Basis vorhandener Daten zu schätzen, um Lücken zu füllen. Natürlich muss das transparent und zuverlässig funktionieren, da haben wir noch einen Weg vor uns.
Was würdet ihr anderen Unternehmen auf ihrer Reise in Richtung mehr Nachhaltigkeit raten?
„Es geht darum, die ersten Schritte zu tun.“
Lennart Gorholt: Wenn Sie darauf warten, dass es perfekt ist, werden Sie Ihr ganzes Leben lang warten. Also: einfach die ersten Schritte machen und unterwegs zu lernen.
„Nachhaltigkeit muss ein fester Bestandteil der DNA deines Unternehmens werden.“
Lucas Dann: Nachhaltigkeit sollte man nicht als Belastung sehen. Betrachte sie stattdessen als Türoffner zu neuen Märkten. Sie kann dich zudem von deiner Konkurrenz abheben. Immer mehr Branchen – ob große Automobilhersteller oder die Bauindustrie – verlangen mittlerweile CO2-Werte und andere KPIs, um Produkte überhaupt verkaufen zu können. Und dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken. Deshalb musst du jetzt anfangen: Strukturiere deine Stücklisten, Sammle deine Materialinformationen, führe erste Berechnungen durch und beginne dann mit der Optimierung.
Höre das ganze Gespräch von Lucas und Lennart hier im Video: